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Montag, 27. Juni 2016, 20:58

Vorschau: Achtelfinale, Tag 3


AF7: Italien - Spanien

Diese Paarung schon im Achtelfinale zu sehen oder dass es sie überhaupt geben wird, damit hatten wohl die wenigsten gerechnet. Vor dem Turnier war Spanien klarer Favorit auf den ersten Platz in der Gruppe D und die Italiener wurden in ihrer Gruppe E eher auf dem zweiten Rang hinter Belgien erwartet. Doch dann kam alles anders als gedacht. Die Spanier verspielten mit einem 1:2 im direkten Duell mit den Kroaten den Gruppensieg, während Italien quasi schon im Auftaktspiel den Belgiern mit 2:0 den Schneid abkaufte. In den anderen Spielen gab es für den viermaligen Weltmeister ein Last-Minute 1:0 gegen Schweden, bevor sich eine B-Elf den Iren mit 0:1 geschlagen geben musste. Der Titelverteidiger war mit einem souveränen 1:0 gegen Tschechien und einem hochverdienten 3:0 gegen die Türkei ins Turnier gestartet.

Trotz der Niederlage gegen Kroatien sah del Bosque keinen Grund für Änderungen, er lässt im vierten Spiel zum vierten Mal die gleiche Startelf ran. Bei den Italienern läuft nach dem Schongang gegen Irland natürlich wieder die erste Garde auf. Auch gegen diesen starken Gegnern ist von den Spaniern ein Spiel mit vielen und langen Ballbesitzphasen zu erwarten, weil die Italiener beispielsweise selbst gegen die uninspirierten Schweden fast ausschließlich auf Konter lauerten. Das könnte die spanische Verteidigung in Bedrängnis bringen, da Pique und Ramos bislang immer sehr hohe Grundpositionen hatten und bei schnellen Gegenstößen häufig ins Eins-gegen-Eins mussten. Gleichzeitig trifft Spanien auch zum ersten Mal in diesem Turnier auf eine gegnerische Dreierkette, allerdings sind es die Iberer ja durchaus gewöhnt, gegen defensiv agierende Mannschaften zu spielen.

Das Spiel dürfte sehr viel ausgeglichener werden, als das Endspiel der letzten EM, das die Spanier mit 4:0 klar und deutlich für sich entscheiden konnten. Italien wird versuchen, aus den wenigen Möglichkeiten das Maximum an Toren zu machen und gleichzeitig die Null zu halten. Spanien wird vor der Aufgabe stehen, den vielen Ballbesitz in Treffer umzumünzen. Nicht ganz uninteressant sind aus deutscher Sicht die Gelben Karten. Gleich sieben Spieler in den Startformationen sind vorbestraft, dazu zählen vier von fünf Innenverteidigern.

Mein Tipp – ITA 0:1 ESP


AF8: England - Island

Die Engländer ließen sich mit einem torlosen Unentschieden gegen die Slowakei am letzten Spieltag noch von den Walisern die Butter vom Brot, also den Gruppensieg, nehmen. Das direkte Duell hatte die Mannschaft von Trainer Hodgson dank einem Last-Minute-Treffer noch für sich entscheiden können, nachdem man im Auftaktspiel ein ebenso spätes Gegentor zum 1:1 Ausgleich hatte hinnehmen müssen. Island war sensationell mit einem 1:1 gegen Portugal ins Turnier gestartet. Dem folgten ein weiteres 1:1 gegen die Ungarn sowie der erste Endrundensieg beim 2:1 gegen Österreich.

Wie immer vertrauen die Isländer auf ihr kompaktes 4-4-2 und ändern auch am Personal nichts. Viel Neues kann man über die „Wikinger“ auch nicht mehr schreiben. Das System scheint einfach zu funktionieren, die individuell stärkeren Gegner tun sich schwer dagegen, es ist quasi ein Sieg des Kollektivs. Obwohl die Engländer sich von Spiel zu Spiel gesteigert haben, kann man sie immer noch nicht richtig einordnen. Im Vergleich zum Slowakei-Spiel werden wieder sieben Spieler ausgetauscht, darunter die beiden Außenverteidiger, die beiden Achter sowie Stürmer Kane, der den Vorzug vor Vardy erhält, obwohl Vardy gezeigt hat, dass er die Idee des direkten Passspiels besser umsetzt.

Die Männer von der (britischen) Insel könnten sich gegen die Isländer verdammt schwertun, weil sie wieder dazu gezwungen sein werden, das Spiel zu machen, was bislang ihre absolute Schwachstelle war. Gleichzeitig eröffnen sie ihrem Gegner Räume, wenn sie sich ungeordnet zurückziehen und Island ist bislang keine Mannschaft, die viele Chancen benötigt.

Mein Tipp – ENG 1:1 ISL
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Mittwoch, 29. Juni 2016, 19:29

Fazit: Achtelfinale, Tag 3


AF7: Italien - Spanien 2:0 (1:0)

Conte hat seine Mannschaft perfekt auf den Gegner eingestellt und die Spanier nicht zur Entfaltung kommen lassen. Die Italiener standen nicht komplett tief, sondern mit dem Sturmduo Pelle/Eder gerade so hoch, dass die gegnerischen Innenverteidiger Ramos und Pique mit dem Ball am Fuß nicht andribbeln konnten, wie sie es in der Vorrunde praktiziert hatten. Stattdessen mussten die beiden, weil sie im Spielaufbau nicht die Qualitäten eines Bonucci oder Boateng haben, häufig hohe Bälle spielen, die meistens von den körperlich überlegenen italienischen Verteidigern abgefangen wurden. Doch auch wenn die Spanier einmal weit in die gegnerische Hälfte vordringen konnten, verteidigten die Italiener nahezu perfekt. Wie immer spielte Spanien asymmetrisch verstärkt über die linke Seite, Italien reagierte darauf, indem der linke italienische Außenverteidiger weit ins Zentrum und leicht vor die Abwehrreihe rückte. Generell war die Raumaufteilung am Strafraum hervorragend. Die Italiener fingen mit ihrer kompakten Staffelung beinahe jeden flachen Passversuch in den Strafraum ab und ließen keinerlei Zwischenraumpässe zu, weil zwischen den Reihen nahezu kein Raum vorhanden war.

Nach Ballgewinnen liefen die Angriffe wie bei den Siegen über Belgien und Schweden über Pelle, der den Ball entweder direkt auf einen durchstartenden Mitspieler weiterleitete, wenn sich die Chance zum Konter bot, oder aber den Ball festmachte und das Aufrücken seiner Mitspieler abwartete. Auch in der Offensive machten die Italiener keine halben Sachen, meistens rückten alle Spieler bis auf die drei Innenverteidiger nach. Unter anderem entstand dadurch bei Flanken eine sehr gute Strafraumbesetzung mit bis zu fünf Angreifern im gegnerischen Sechzehner. Die Spanier nutzen dieses Aufrücken viel zu nachlässig für Konter, wenn sie den Ball gewannen. Gleichzeitig waren sie bei eigenen Ballverlusten im Angriffsspiel ungewohnt inkonsequent im Gegenpressing.

Dem spanischen Spiel fehlte es an allem: Aggressivität, Tempo, Ideenreichtum. Dagegen zeigten die Italiener sowohl defensiv- als auch offensivtaktisch eine fast perfekte Vorstellung und werden auch die deutsche Mannschaft vor die ein oder andere Herausforderung stellen.

MVP: Graziano Pelle


AF8: England - Island 1:2 (1:2)

Nach nicht einmal vier Minuten und der englischen Führung per Foulelfmeter hatte man schon mit dem Ende des isländischen EM-Traums rechnen müssen. Doch quasi im direkten Gegenzug glichen die „Wikinger“ aus (6‘) und erzielten in der 19. Minute sogar durch Sigthorsson das Siegtor. Es ist höchstgradig verwunderlich, dass ein Offensivkonzept, das so simpel gestrickt ist wie das der Isländer, bislang in jedem Spiel zu mindestens einem Treffer geführt hat. Ein Vorteil an der Simplizität ist natürlich die klare Struktur in der Umsetzung: Die Angriffe werden übers zentrale Mittelfeld eröffnet, von wo ein Pass auf die Außen folgt. Sieht der Flügelspieler, dass die gegnerischen Abwehrspieler rausrücken, schlägt er eine Flanke in den Sechszehner, lässt sich die Verteidigung fallen, spielt er einen Pass zentral vor den Strafraum. Dieses Muster ist eigentlich relativ einfach zu verteidigen, doch bei den Engländern passten weder die Abstände zum Gegenspieler noch untereinander. Island durfte vor allem nach Seitenwechsel frei in der englischen Hälfte kombinieren, so zu sehen beim 1:2. Noch peinlicher war allerdings, dass man sich bei den Engländern scheinbar nicht auf die weiten isländischen Einwürfe mit anschließender Kopfballverlängerung vorbereitet hatte. Durch einen solchen Spielzug kam Island wie schon gegen Österreich zum Ausgleich.

Defensiv muss man neben dem kämpferischen Einsatz auch die taktische Disziplin der Isländer loben. In Zeiten der falschen Neun und der Dominanz des 4-2-3-1-Systems sieht man selten ein so klassisches und perfekt organisiertes 4-4-2. Island parkte bei gegnerischem Ballbesitz keinesfalls den Bus vor dem eigenen Tor, sondern lief den ballführenden Engländer schon mit den eigenen Stürmern an, damit er nicht das Tempo aufnehmen kann, welches das englische Spiel so gefährlich macht. Dennoch kam England im ersten Durchgang zu ein paar guten Möglichkeiten. Allerdings spielten die Three Lions in der zweiten Hälfte von Minute zu Minute schlechter. Hodgson setzte die völlig falschen Impulse und wechselte zur Pause Wilshere ein, der schon gegen die Slowakei im Vergleich zum Rest der Mannschaft abgefallen war. In der 60. Minute kam dann mit Vardy ein weiterer Stürmer, obwohl die Engländer gar nicht mehr sinnvoll ins Angriffsdrittel kamen. Das Fehlen eines Spielmachers machte sich ein letztes Mal eklatant bemerkbar. Die Einwechslung von Rashford (87‘) kam viel zu spät, in seinen beiden Offensivaktionen war zu erahnen, welche Probleme die Isländer mit seinen Dribblings hätten haben können. Des Weiteren muss man sich fragen, warum ein Mittelstürmer wie Kane Ecken und Freistöße aus dreißig Metern schießt.

Den Engländern mangelte es an (taktischer und charakterlicher) Einstellung und Einsatzwillen. Dieser Einsatzwille hatte die Isländer schon sensationell ins Achtelfinale gebracht und sie jetzt weiter ins Viertelfinale geführt. Die Chancen stehen gut, dass sie auch für die nervösen Gastgeber ein Problem darstellen werden.

MVP: Ragnar Sigurdsson
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Donnerstag, 30. Juni 2016, 20:43

VF1: Polen - Portugal 3:5 i. E. (1:1, 1:1, 1:1)


Vorschau

Dank der ungleichen Verteilung der Mannschaften im Turnierbaum haben diese beiden Teams unerwartet gute Chancen auf den Finaleinzug. Allerdings konnten beide in ihren bisherigen Spielen noch nicht wirklich überzeugen. Die Polen haben in vier Partien nur drei Treffer erzielt. Grund dafür ist vor allem die eindimensionale Konzentration aufs Konterspiel ohne Kreativität in längeren Ballbesitzphasen. Vermutlich wird Nawalka seiner Siegerformation auf dem Achtelfinale mit Grosicki auf dem linken Flügel vertrauen, allerdings könnte auch eine Hereinnahme von Kapustka sinnvoll sein. Defensiv wurden die Polen noch nicht richtig gefordert, als dass man sich ein aussagekräftiges Bild von ihrer Abwehrleistung hätte machen können. Im letzten Gruppenspiel gegen die Ukraine kamen sie aber das ein oder andere Mal ins Schwimmen, gegen die Schweiz kassierten sie ihr erstes Gegentor.

Gegentore haben die Portugiesen schon einige gesammelt, doch auch das hat nichts zu sagen, denn die Art und Weise, wie diese fielen, war häufiger Unglück als Unvermögen. Außerdem konnte sie die Kroaten, die zuvor in jedem Spiel getroffen hatten, im Achtelfinale gut im Zaum halten. Portugals Stärken liegen aber in der Offensive. Ronaldo und Co. waren vor der K.-o.-Phase das Team mit den meisten Schüssen, vergaben aber beispielsweise gegen Österreich viele Großchancen. Im Mittelfeld sind sie sehr variabel, können wahlweise mit einer Raute oder einer flachen Kette spielen. Generell sind die Spieler im System von Fernando Santos nicht streng an ihre Positionen gebunden. Man darf gespannt sein, ob Renato Sanches seinen ersten Startelfeinsatz erhält, er hatte mit seinen vertikalen Bewegungen nach jeder seiner Einwechslungen positiven Einfluss aufs portugiesische Spiel. Denkbar wäre er auf einer Doppelsechs neben William Carvalho. Auch Quaresma konnte in seiner vergleichsweise geringen Einsatzzeit überzeugen. Mit ihm und Sanches von Beginn an könnte Portugal in einem 4-2 1 3 auflaufen.

Beide Mannschaften haben schon vielversprechende Ansätze gezeigt, sind aber noch nicht so wirklich heißgelaufen. Möglicherweise sehen wir ein Offensivfest mit portugiesischen Sturmläufen und polnischen Kontern. Andererseits könnte Portugal wie gegen Kroatien sehr kontrolliert spielen, um keine Räume für gegnerische Tempogegenstöße zu bieten.

Mein Tipp – POL 1:2 POR


Fazit

Die Portugiesen konnten auch ihr fünftes Turnierspiel nicht gewinnen, haben sich aber im Elfmeterschießen durchgesetzt und damit nach dem enttäuschenden Vorrundenaus bei der WM in Brasilien wie schon bei der letzten EM 2012 das Halbfinale erreicht. Polen muss dagegen die Segel streichen, weil man vom Punkt dieses Mal nicht so sicher war wie noch im Achtelfinale gegen die Schweiz.

Dabei begann das Spiel ideal für die Polen. Lewandowski erzielte auf Flanke von Grosicki schon in der 2. Minute den Führungstreffer, nachdem der portugiesische Rechtsverteidiger Cedric sich bei einem Seitenwechsel von Piszczek einen individuellen Fehler geleistet hatte. Diese Führung hätte der konterstarken polnischen Mannschaft eigentlich in die Hände spielen müssen. Zwar kamen die Bialo-Czerwoni nach Ballgewinnen von Krychowiak (15‘) bzw. Maczynski (17‘) auch zu Chancen durch Tempogegenstöße, allerdings waren diese ungefährlich und die Ausnahme. Ansonsten agierten die Polen mit der Führung im Rücken wie schon gegen die Schweiz viel zu passiv. Dieses Mal sollte sich das noch früher rächen. In der 33. Minute spielte Renato Sanches von rechts kommend einen Doppelpass mit dem in den Strafraum startenden Nani, der per Hacke zurücklegte, und fand mit seinem Schuss mit etwas Glück den Weg ins Tor.

Überhaupt war Sanches bei seinem ersten Startelfeinsatz wie schon nach seinen bisherigen Einwechslungen der Aktivposten im portugiesischen Team. Fast jeder Angriff lief über ihn, er trieb die Bälle genauso selbst voran wie er Anspielstationen für öffnende Pässe suchte und fand. Nach Ballverlusten war er oft der einzige Portugiese, der direkt ins Gegenpressing umschaltete. Portugal sträubte sich erneut gegen jedwedes offensive Risiko und stand in der zweiten Halbzeit über weite Strecken in einem 4-4-1-1 am eigenen Strafraum, wissend, dass den Polen die Fähigkeit fehlt, gegen tiefe Abwehrreihen das Spiel zu machen. Der polnische Spielaufbau lief fast ausschließlich über die beiden in dieser Hinsicht nur begrenzt begabten Innenverteidiger. Im vorderen Drittel kam das auf Tempo ausgelegte Offensivkonzept überhaupt nicht zum Tragen. Daran änderte auch die späte Einwechslung von Kapustka für Grosicki (82‘) nichts.

Erneut muss Ronaldos Rolle im portugiesischen Kollektiv beleuchtet werden. Im Spiel gegen den Ball war häufig zu sehen, wie er wild gestikulierend Anweisungen an seine Mitspieler richtete und Zuordnungen im Anlaufverhalten verteilte. Gleichzeitig beteiligte er sich selbst kaum am gesamtmannschaftlichen Pressing. Das wirft zwei Fragen auf. Erstens: Nach dem Grund, warum Ronaldo Zuordnungen verteilt. Gibt es dafür keine Anweisungen vom Trainer oder setzt er sich damit über solche hinweg? Zweitens: Nach Ronaldos Aufgaben im Pressing. Ist er von solchen befreit oder nimmt er sich selbst diese Freiheiten? Abschließend führt das zu einer ganz grundsätzlichen Fragestellung: Ist Ronaldos Mitspielern seine individuelle Klasse tatsächlich so viel wert, dass sie seine Sonderstellung akzeptieren und seine Reaktionen nach Fehlern einfach so hinnehmen?

Portugals Spiel ist nicht schön, aber es ist effektiv. Mittlerweile ist zu erwarten, dass Trainer Fernando Santos diese Spielweise bis in die Nachspielzeit der Verlängerung eines möglichen Endspiels durchziehen wird. Mit Wales treffen die Portugiesen im Halbfinale auf einen Gegner, der sowohl passiv als auch aktiv auftreten kann.

MVP: Renato Sanches
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Freitag, 1. Juli 2016, 20:53

VF2: Wales - Belgien

Vorschau

Beide Mannschaften haben in der Qualifikation zu diesem Turnier genau ein Spiel verloren. Wales unterlag am vorletzten Spieltag in Bosnien-Herzegowina und Belgien wurde besiegt von – richtig! – den Walisern. Bei der Begegnung in Cardiff vor gut einem Jahr gab es ein 1:0 für die Gastgeber. Wales ist gleichzeitig auch die einzige Mannschaft, gegen welche die Belgier keinen einzigen Treffer erzielten, denn beim Hinspiel in Brüssel hatte es ein torloses Remis gegeben. Diese Ergebnisse allein dürften zeigen, dass Wales in diesem Viertelfinale durchaus auf Augenhöhe mithalten kann. Ob sie auch mitspielen werden, steht auf einem anderen Blatt. Bemüht man auch hierfür die Zahlen aus der Quali, kann man schnell auf die Spielweise der Teams schließen. Belgien erzielte in zehn Spielen 24 Treffer, Wales gerade einmal 11. Auch heute darf erwartet werden, dass die Waliser eher tief und sehr kompakt stehen, um den Belgiern keine Konterchancen zu geben, denn gegen organisierte Abwehrreihen haben sich De Bruyne und Co. bislang schwergetan.

In Belgiens Defensive gibt es gleich zwei Ausfälle. Linksverteidiger Vertonghen ist verletzt und Innenverteidiger Vermaelen gesperrt. Im Zentrum startet dafür Denayer und außen darf Romelu Lukakus Bruder Jordan ran. Die beiden drücken den Altersschnitt der Viererkette um gute vier Jahre. Außerdem fehlt ihnen die internationale Erfahrung, was ein Gareth Bale auf der anderen Seite für sich nutzen könnte. Neben Bale steht dieses Mal wieder Robson-Kanu in der Anfangsformation. Um den Gedanken von oben zu Ende zu führen: Ihre einzige Niederlage im Turnier haben die Belgier ebenfalls gegen eine Mannschaft mit defensiver Fünferkette erlitten. Nun ist Wales nicht Italien und die walisischen Innenverteidiger haben nicht die Aufbau-Qualitäten eines Bonucci, in der Verteidigung stehen sie dem viermaligen Weltmeister im Kollektiv jedoch in fast nichts nach.

Wenn alles normal läuft, ist leider wieder ein überaus zähes Spiel zu erwarten. Doch vielleicht entdecken die Belgier doch noch bislang nicht gesehene Stärken im Ballbesitzspiel oder die Waliser gehen offensiv ein höheres Risiko ein.

Mein Tipp – WAL 0:0 BEL


Fazit

Mit Belgien ist nach Kroatien ein weiterer Geheimfavorit auf dem Titel ausgeschieden. Diese Rolle könnten jetzt die Waliser übernommen haben, die bewiesen haben, dass sie nicht nur defensiv sicher stehen können, sondern auch durchaus Potenzial in der Offensive haben.

Das Match hätte für die Belgier im Grunde nicht besser anlaufen können. Nainggolan hatte in der 13. Minute nach einem Rückpass von Hazard sehr viel Raum vor dem walisischen Strafraum, weil Wales auf Hazards Flügellauf mit der Überladung des Sechzehners reagiert hatte, und nutzte diesen Platz zu einem sehenswerten Distanztreffer. Schon zuvor hatte Belgien drei hochkarätige Einschussmöglichkeiten innerhalb weniger Sekunden gehabt (7‘). Nach dem Führungstreffer spielten die Belgier jedoch schwach bis schlecht und die Waliser hervorragend bis brillant. Belgien kam trotz Führung kaum zu Kontern. Das lag an einer Verkettung von Gründen. Die Waliser gaben ihren Gegnern kaum Räume für Tempogegenstöße, sondern verteidigten selbst in Rückstand eher tief und sortiert. Gleichzeitig mussten sie im Angriff kaum in Situationen gehen, in denen ein Ballverlust hochgradig riskant gewesen wäre. Konnten die Belgier dann doch einmal kontern, wurde dies mit taktischen Fouls unterbunden, was in vier Verwarnungen inklusive zweier Gelbsperren resultierte.

Ausschlaggebend dafür, dass in der Offensive kein Risiko nötig war, war die perfekte Ausnutzung der belgischen Defensivschwäche. Mit Denayer und J. Lukaku statt Vermaelen und Vertonghen fehlte auf der linken belgischen Abwehrseite jegliche Ordnung. Wales spielte immer wieder weite Pässe in diesen Raum um wurde in dann in Unterzahl regelmäßig gefährlich. So befanden sich Ramsey und Robson-Kanu bei 2:1 nach einem langen Ball von Bale mit zwei gegen fünf in Unterzahl (55‘), beim 3:1 waren es zwei gegen drei (86‘). Auch Ecken verteidigten die Belgier so schwach wie kaum eine Mannschaft zuvor. Wenn man merkt, dass der Gegner versucht, mit Tricks die Zuordnung der Manndeckung auszuspielen, sollte man auf Raumdeckung umstellen, was nicht geschah. Außerdem muss De Bruynes Verhalten am kurzen Pfosten beim 1:1 hinterfragt werden (30‘).

Angesichts der dargebotenen Angriffskraft ist zu erwarten, dass Portugal als nächster Gegner der Waliser sehr viel geordneter und stabiler in der Defensive auftreten wird. Fraglich ist dann, ob Wales dann noch aktiver wird oder sich ebenfalls aufs Verteidigen beschränkt.

MVP: Aaron Ramsey
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Sonntag, 3. Juli 2016, 13:46

VF3: Deutschland - Italien

Vorschau

Wieder mal trifft Deutschland bei einem großen Turnier auf Angstgegner Italien und mehr denn je muss die Leistung der Squadra Azzurra anerkannt werden, der vor der EURO von vielen Experten die Favoritenrolle aberkannt worden war. Doch gleich im Auftaktspiel machten die Azzurri mit einem souveränen 2:0 gegen Belgien klar, dass mit ihnen auch dieses Jahr zu rechnen ist. Als einzige Mannschaft sicherten sie sich schon am zweiten Spieltag den Gruppensieg, sodass sie sich am letzten Spieltag gegen Irland ein 0:1 mit einer B-Elf leisten konnten. Im Achtelfinale schlugen sie Titelverteidiger Spanien in beeindruckender Manier mit 2:0 und revanchierten sich damit für die peinliche Klatsche im Finale 2012. Deutschland konnte mit vergleichsweise geringem Aufwand und ohne Niederlage den ersten Platz in der Gruppe belegen, zeigte aber erst beim 3:0 im Achtelfinale gegen die Slowakei, wie stark die Mannschaft tatsächlich sein kann.

Beide Teams stehen defensiv sehr sicher. Die deutsche Mannschaft musste noch kein Gegentor hinnehmen und die Italiener fingen sich ihren einzigen Gegentreffer beim angesprochenen Spiel gegen Irland mit der zweiten Garde ein. Während Italien in der Verteidigung sehr kompakt mit einer Dreier-/Fünferkette steht, ging Jogi Löw bislang ein kalkuliertes Risiko ein und verließ sich auf die individuelle Klasse von Boateng und Hummels. Diese riskante Herangehensweise, die man gegen Nordirland und die Slowakei gesehen hat, wird gegen die Italiener kaum angewandt werden, da diese neben Eder mit Pelle über einen Stürmer verfügen, der als Wandspieler mit seinen Ablagen gefährliche Konter initiieren kann. Generell stellt sich auf deutscher Seite die Frage, ob man nicht doch wie beim 4:1 Testspielsieg Ende März mit einer Dreierkette auflaufen sollte. Das würde die Außenverteidiger Kimmich und Hector entlasten und im Spielaufbau, dem Italien wie schon gegen Spanien mit hohem Anlaufen begegnen wird, eine zusätzliche Anspielstation schaffen. Allerdings müsste dafür ein Spieler aus der zuletzt so starken Offensive auf der Bank platznehmen. Hier ist die Grundfrage, ob die Deutschen versuchen, ihre eigenen Stärken durchzusetzen, oder sich den Stärken des Gegners anpassen.

Im Sturmzentrum hat Löw wie immer die Wahl zwischen Gomez und Götze, die gegen die robuste Dreierkette beide ihre Argumente haben. Der quirlige Götze könnte mit seinen Dribblings Verwirrung stiften, andererseits hat Gomez seine gute Form und Abschlussstärke bestätigt und kann körperlich dagegen halten. Bei den Italienern ist keine Änderung der Formation zu erwarten. Allerdings ist der Einsatz von de Rossi gefährdet, er ist verletzt. Dummerweise hat sich sein Ersatzmann Thiago Motta im Achtelfinale seine zweite Verwarnung abgeholt und ist damit gelbgesperrt. So dürfte wohl Sturaro als Sechser zum Einsatz kommen.

Das Duell der beiden viermaligen Weltmeister verspricht, ein „vorweggenommenes Finale“ zu werden. Italien konnte vom ersten Spiel an überzeugen, Deutschland hat sich kontinuierlich gesteigert, beide haben ihren Ruf als Turniermannschaft bestätigt. Jogis Jungs müssen die italienischen Konter unterbinden, sei es durch aggressives Gegenpressing wie gegen die Slowakei oder mit einer sicheren Defensive, egal ob mit Dreier- oder Viererkette. In der Offensive dürfte es schwierig werden, das italienische Abwehrbollwerk zu durchdringen, Italien hat in der Defensive ein anderes Niveau als die bisherigen Gegner. Alles in allem ist ein spannendes Spiel auf Augenhöhe mit guten Torchancen auf beiden Seiten zu erwarten.

Mein Tipp – GER 1:0 ITA


Fazit

Jogi Löw hat gegen Italien genau die richtigen taktischen Anpassungen gewählt. Dass der Sieg dennoch erst denkbar knapp im Elfmeterschießen erfolgte, war er defensiven Klasse der Italiener und letztendlich einem von Boateng verursachten Strafstoß geschuldet.

Die deutsche Mannschaft ist zum ersten Mal in diesem Turnier mit einer Dreierkette aufgelaufen, einer Formation, die schon im Testspiel im März zum Erfolg geführt hatte. Boateng gab dabei die zentrale Absicherung, während Hummels und Höwedes die Halbverteidigerpositionen belegten. Für den zusätzlichen Abwehrspieler musste Draxler weichen, Özil und Müller waren die Mittelfeldspieler hinter Gomez. Die mangelnde Spielerzahl in der Offensive gepaart mit der italienischen Defensivstärke sorgte dafür, dass die deutsche Elf in der ersten Halbzeit keine Durchschlagskraft entwickeln konnte. Allerdings war das primäre Ziel auch eher das Ausschalten der gegnerischen Stürmer und das funktionierte hervorragend. Durch die Dreierkette hatten Pelle und Eder keine Schnittstellen, in die sie hätten starten können und dank der hohen Kompaktheit gewann Deutschland nahezu jede Kopfballablage von Pelle. Gefährlich wurde es im deutschen Strafraum nur zweimal nach Fehlern von Kimmich auf der rechten Seite (31‘, 43‘).

Überhaupt war das Spiel der deutschen Mannschaft gegen den Ball sehr gut. Bei Ballverlusten eilten sofort ein bis zwei Mann ins Gegenpressing, um präzise lange Bälle von Bonucci und Co. zu verhindern. In manchen Aktionen erinnerte diese Spielweise gar an das ultra-aggressive Gegenpressing aus den Spielen gegen die Slowakei und Nordirland mit dem Unterschied, dass dahinter noch eine stabile Absicherung vorhanden war. Im zweiten Durchgang besserte sich dann auch endlich das deutsche Offensivspiel, weil die Halbverteidiger Hummels und Höwedes bei Ballbesitz sehr viel weiter aufrückten und den Mittelfeldspielern und Stürmer Gomez damit mehr Möglichkeiten gaben, nach außen auszuweichen. So zog Gomez vor dem 1:0 auf den linken Flügel, steckte durch auf den in den Strafraum durchstartenden Hector, der den Ball mit etwas Glück zu Özil brachte, der vollstreckte (65‘). Kurz darauf hatte Gomez nach Chip-Pass von Özil eine weitere hochkarätige Möglichkeit (68‘). Bis auf den Elfmeter kam Italien noch zweimal gefährlich zum Abschluss, ohne den Ball jedoch aufs Tor zu bringen. In der Verlängerung war Deutschland die aktivere Mannschaft, gerade in der zweiten Halbzeit suchten Jogis Jungs die Entscheidung, die dann aber erst nach 18 Elfmetern kam.

Gomez‘ EURO ist beendet. Zudem werden im Halbfinale auch Khedira (verletzt) und Hummels (gesperrt) fehlen. Mit aller Wahrscheinlichkeit wird Deutschland gegen Frankreich wieder mit einer Viererkette auflaufen, deren Zentrum wohl Mustafi neben Boateng komplettieren wird. Für Khedira gibt es mehrere Alternativen. Schwerer wiegt da der Ausfall von Gomez, da er der einzige echte Stürmer im Kader ist.

MVP: Mats Hummels
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Sonntag, 3. Juli 2016, 13:47

VF4: Frankreich - Island


Vorschau

Auf ihrem Weg zum „finale chez soi“ treffen die Gastgeber im Viertelfinale auf England-Schreck Island, die aktuell wohl beliebteste Mannschaft Europas. Dabei muss Deschamps auf die gelbgesperrten Rami und Kante verzichten. Während auf der Sechserposition mit Cabaye und Sissoko, der gegen die Schweiz überzeugen konnte und im Vergleich zu Cabaye die offensivere Variante ist, ausreichend für Ersatz gesorgt ist, mangelt es in der Innenverteidigung an gestandenen Alternativen. Im Kader stehen Eliaquim Mangala, der bislang kein Pflicht-Länderspiel bestritten hat, und Barcelona-Neuzugang Samuel Umtiti, der noch ganz ohne Einsatz in der A-Nationalmannschaft ist und nur für den verletzten Varane in den Kader gerückt war. Das französische Defensiv-Konstrukt könnte also durchaus anfällig sein. Den Engländern fehlte gegen Island die nötige Breite im Angriffsdrittel. Dennoch werden die Franzosen wohl mit Griezmann statt Coman auflaufen, obwohl die sehr zentrale Orientierung Griezmanns ein breites Spiel eben verhindert. Sagna ist mit seinem situativen Aufrücken nur effektiv, wenn er einen offenen Flügel vorfindet, was gegen Island wohl kaum der Fall sein dürfte.

Denkbar wäre auch ein 4-2-3-1 mit Griezmann zentral hinter Giroud sowie Coman und Payet auf den Flügeln. Im Mittelfeld würde dann die Position hinter Pogba und Matuidi wegfallen. Bei den Isländern sind keine Änderungen in der Aufstellung zu erwarten. Das 4-4-2 könnte kaum besser funktionieren. Bislang hat sich jeder Gegner schwergetan gegen die kompakte Defensive. Gleichzeitig kann Island eine unglaublich effiziente Chancenverwertung vorweisen. Allerdings werden die Franzosen trotz personeller Umstellungen nicht so lasch verteidigen wie England. Das dürfte es für Island schwierig machen, überhaupt zu Abschlüssen zu kommen. Wenn die isländische Defensive jedoch hält und die Franzosen das Risiko erhöhen, kann es zu Kontermöglichkeiten für die „Wikinger“ kommen. Interessant ist aus deutscher Sicht ein Blick auf die bisherigen Verwarnungen. Bei Frankreich droht Koscielny und Giroud eine Gelbsperre, bei den Isländern sind neun Spieler aus der Startelf betroffen.

Frankreich wird sich schwertun gegen die wackeren Isländer, hat aber in der richtigen Formation mehr Mittel gegen das kompakte 4-4-2 als England. Außerdem werden die Franzosen taktisch deutlich besser vorbereitet ins Spiel gegen den Außenseiter gehen als es die Briten waren. Dennoch hat Island eine durchaus realistische Chance aufs Halbfinale. Die sechs isländischen Treffer wurden übrigens von sechs verschiedenen Torschützen erzielt.

Mein Tipp – FRA 1:0 ISL


Fazit

Den wackeren Isländern wurden von überzeugenden Gastgebern die Grenzen aufgezeigt. Frankreich war die erste Mannschaft, die über die volle Spielzeit die Schwächen des isländischen Systems und der Einzelspieler ausnutzte, und machte relativ deutlich, dass Island eigentlich nicht das Niveau für das Viertelfinale einer Europameisterschaft hat.

Die Franzosen taten genau das, was man gegen ein 4-4-2 machen muss, nämlich die Schnittstellen bespielen. Sie hatten aus dem gelernt, was andere Mannschaften gegen die Isländer richtig gemacht hatten. Beim 1:0 spielte Matuidi einen weiten Ball über die beiden Viererketten, die auf Abseits spekulierten und Giroud schloss im Stile eines Torjägers ab (13‘). Nach einem solchen langen Ball war beispielsweise England gegen Island im Achtelfinale in der Anfangsphase zu einem Elfmeter gekommen. Das 4:0 von Griezmann bereitete Pogba mit einem Steilpass durch die gesamte isländische Formation vor, die Innenverteidiger hatten sich auf Giroud konzentriert, der den Ball jedoch durchließ (45‘). Außerdem rückten die Franzosen bei langen Bällen auch konsequent nach. So legte Griezmann das 3:0 durch Payet nach einer Kopfball-Ablage von Giroud auf (43‘).

Dass Frankreich zu zwei Kopfballtoren nach Standards (20‘ nach Ecke, 59‘ nach Freistoß) kam, mag angesichts der Kopfballstärke der Isländer verwundern. Jedoch wurden die Hereingaben so geschlagen, dass der schwache isländische Torhüter Halldorsson zu Fehlern gezwungen wurde. Die zwei Gegentreffer in der zweiten Halbzeit beweisen zum einen, dass die Franzosen mit zunehmender Spielzeit nachlässig wurden, zum anderen aber auch, dass Umtiti nicht die Sicherheit eines Rami ausstrahlt, der im Halbfinale deshalb sicher in die Startelf zurückkehren wird. Andererseits sprechen die beiden Treffer auch für die Moral und die tatsächlichen offensiven Fähigkeiten der Isländer, denn beide Tore waren wie immer zwar simpel, aber sauber herausgespielt.

Deschamps hat mit dem 4-2-3-1 und Griezmann zentral hinter Giroud die absolut richtige Ausrichtung gegen Island gewählt. Im Halbfinale gegen Deutschland ist die Rückkehr ins 4-1-2-2-1 ab wahrscheinlich, weil sinnvoll. Die Isländer können erhobenen Hauptes nach Hause fahren, sie waren die größte Überraschung bei dieser EURO.

MVP: Olivier Giroud
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Mittwoch, 6. Juli 2016, 01:56

HF1: Portugal - Wales

Vorschau

Der Sieger dieses Halbfinales wird als Außenseiter ins Endspiel gehen, so viel ist klar. Völlig unklar ist dagegen, wer dieses Halbfinale gewinnen wird. Vor dem Turnier hätten bei dieser Paarung wohl alle auf Portugal getippt, in den bisherigen Spielen konnte Wales jedoch mehr überzeugen. Allerdings sprechen die personellen Vorzeichen wieder für die Portugiesen. Bei den Iberern fehlt Sechser William Carvalho gelbgesperrt, ihn wird vermutlich Danilo Pereira ersetzen. Auf der Linksverteidigerposition dürfte der zuletzt angeschlagene Neu-Dortmunder Guerreiro zurückkehren. Renato Sanches sollte mit seinem starken Auftritt gegen Polen wohl seinen Platz in der Startformation verteidigt haben. Ronaldo und Nani werden wie immer einen Eineinhalb-Mann-Sturm geben. Fraglich ist nur, welche Spieler das Mittelfeld komplettieren. Ohne Joao Moutinho ist das portugiesische Spiel meist noch defensiver. Wales muss neben Halbverteidiger Davies auch auf den ebenfalls gesperrten Spielmacher Ramsey verzichten.

Dieser Verlust wiegt schwer, denn Andy King ist kein gleichwertiger Ersatz. Den Ausfall von Ramsey könnte man kompensieren, indem Bale sich im Spielaufbau noch weiter fallen lässt als gegen Belgien. Wenn Portugal so tief steht wie zuletzt, wird er seine Schnelligkeit im Angriffsdrittel sowieso nicht ausspielen können. Im Viertelfinale konnten die Waliser eine recht offensive Herangehensweise wählen, weil sie gegen schwach verteidigende Belgier nur mit geringem Risiko verbunden war. Das wird gegen die Portugiesen anders sein, deswegen wird Wales deshalb und aufgrund der Sperre für Ramsey vermutlich zurückhaltender agieren. Das ist von den Portugiesen, die mit dieser Strategie bislang erfolgreich durchs Turnier gekommen sind, ebenfalls zu erwarten. Bei Wales sind keine defensiven Schwächen auszumachen, für die es sich lohnen würde, eine offensivere Spielweise zu wählen.

Es ist also mit einem Spiel zwischen zwei abwartenden Mannschaften zu rechnen. Ob Wales erfolgreich sein wird, hängt zu großen Teilen davon ab, wie sie den Ausfall von Ramsey kompensieren können. Portugal wird versuchen, die Waliser aus ihrer Deckung zu locken, um dann zuzuschlagen.

Mein Tipp – POR 1:0 WAL
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Donnerstag, 7. Juli 2016, 19:24

HF2: Deutschland - Frankreich

Vorschau

Wer wird Portugals Endspielgegner? Diese Frage wird im Duell zwischen Gastgeber Frankreich und Gastgeberschreck Deutschland beantwortet. Im Halbfinale der WM 2014 hatte „Die Mannschaft“ die gastgebenden Brasilianer mit 7:1 gedemütigt, doch mit einer Wiederholung dieses Ereignisses rechnen wohl nicht einmal die kühnsten Optimisten.

Bei Deutschland wird entweder Höwedes oder Mustafi den gesperrten Hummels vertreten. Mustafi hatte die Position neben Boateng im ersten Gruppenspiel gegen die Ukraine eingenommen, als Hummels noch angeschlagen gefehlt hatte. Höwedes hatte bislang mehr Einsätze, spielte bisher aber nur als rechter Außen- oder Halbverteidiger. Keinesfalls werden gegen den französischen Ein-Mann-Sturm beide zusammen mit Boateng eine Dreierkette bilden. Die Außenverteidiger werden wohl unberührt bleiben, Hector und Kimmich haben bis zu diesem Punkt konstant gute Leistungen gebracht. Auf der Sechs neben Kroos könnte Kapitän Schweinsteiger auflaufen, der seine kleine Verletzung scheinbar auskuriert hat. Im Angriffsdrittel ist es am wahrscheinlichsten, dass Götze für Gomez in der Spitze aufgestellt wird und auch Draxler seinen Platz in der Startelf zurückerhält.

Die Franzosen können anders als die Deutschen aus dem Vollen schöpfen. In der Viererkette wird Rami nach Gelbsperre auf die Innenverteidigerposition neben Koscielny zurückkehren. Giroud ist im Sturmzentrum gesetzt. Fraglich ist nur, ob Frankreich im gewohnten 4-1-4-1 (bzw. 4-3-3) oder im zuletzt erfolgreichen 4-2-3-1 auflaufen wird. Letztere Formation kommt vor allem Griezmann entgegen, der auf der Zehnerposition deutlich besser mit dem Rest der Mannschaft harmoniert als wenn er vom Flügel ins Zentrum zieht. Payet wird in jedem Fall die Position des Linksaußen bekleiden. Rechts konnte Sissoko gegen Island nicht wirklich überzeugen, Coman wöre eine Alternative. Im defensiven Mittefeld kann sowohl Kante (defensivere Variante) als auch Matuidi (offensiver) neben Pogba spielen. Drei Mann im Mittelfeldzentrum – also im 4-1-4-1 könnten den deutschen Angriffen den Wind aus den Segeln nehmen.

Dann müsste Deutschland noch gezielter über die Flügel angreifen, die französischen Außenverteidiger sind ohnehin nicht die stärksten. Überhaupt fehlt es den Franzosen an defensiver Kompaktheit, das Mittelfeld rückt zu selten konsequent nach hinten und die Offensivspieler sind nicht dafür bekannt, arge Investitionen in der Verteidigung zu betreiben, Coman war in diesem Turnier bisher die Ausnahme. Dafür entwickeln sie im Angriff eine enorme Power, wobei man sich jedoch auch nicht von den fünf Treffern gegen überforderte Isländer blenden lassen sollte. Es könnte eine gute Idee sein, Griezmann von einem Sechser in Manndeckung nehmen zu lassen, sollte dieser hinter Giroud als Zehner fungieren. Das in der K.-o.-Phase so extrem aggressive Pressing könnte ebenfalls ein Schlüssel zum Erfolg sein, denn die französischen Aufbauspieler sind bei aller Klasse nicht so pressingresistent wie die Italiener. Im Vergleich zum Italienspiel muss sich jedoch das Spiel mit dem Ball verbessern und mehr Durchschlagskraft entfaltet werden, was ohne Hummels als aufrückenden Innenverteidiger schon schwer genug werden dürfte.

Jogi Löw hat bei dieser EURO bewiesen, dass er seine Mannschaft auf den jeweiligen Gegner einstellten kann. Das sollte ihm also auch dieses Mal gelingen. Als Gastgeber steht Frankreich im Halbfinale unter größtmöglichem Druck, hat jedoch auch den größtmöglichen Ansporn. Wie schon gegen Italien kann ein enges Spiel vorausgesagt werden, Verlängerung und Elfmeterschießen nicht ausgeschlossen.

Mein Tipp – GER 2:1 FRA
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Sonntag, 10. Juli 2016, 20:55

Fazit: Halbfinale

Portugal - Wales 2:0 (0:0)

Bei den Walisern war das Fehlen von Ramsey deutlich zu spüren. Ohne den Verbindungsspieler musste sich Bale sehr weit fallen lassen, um an Bälle zu kommen, hatte dann jedoch selbst keine Anspielstationen, was in einigen – teils gefährlichen – Distanzschüssen resultierte. Mit seinen Bewegungen nach hinten brachte er Unordnung in die portugiesische Mannorientierung, sodass die walisischen Außenverteidiger Platz auf den Flügeln bekamen. Allerdings war der Strafraum zu selten gut besetzt. Die Portugiesen starteten mit einer Mittelfeld-Raute mit Renato Sanches auf Rechts und standen in ihrer gewohnt tiefen Formation, wartend auf ihre Möglichkeiten. Von denen gab es in der ersten Halbzeit sehr wenige, weil sich die beiden Teams weitestgehend neutralisierten. Zu Beginn des zweiten Durchgangs setzte sich dann die individuelle Klasse von Cristiano Ronaldo durch, der erst selbst zum 1:0 einköpfte und kurz darauf das etwas glückliche 2:0 durch Nani mit einem verzogenen Schuss vorbereitete. Im Anschluss verteidigte Portugal die Zwei-Tore-Führung sehr souverän und machte so den Finaleinzug klar.

MVP: Cristiano Ronaldo


Deutschland - Frankreich 0:2 (0:1)


Die deutsche Mannschaft musste sich Frankreich geschlagen geben, weil sie in den entscheidenden Situationen fatale individuelle Fehler leistete. Vor dem 0:1 köpfte Hector den Ball unbedrängt zur Ecke, bei welcher Schweinsteiger den Ball unnötiger Weise mit der Hand spielte. Dem 0:2 war eine Kette von Fehlern vorangegangen. Zunächst spielte Höwedes im Strafraum einen Querpass zu Kimmich, der schon bedrängt wurde. Dieser versuchte, den Ball zu kontrollieren, statt ihn zu klären. Nach dem Ballverlust ließ sich Mustafi von Pogba austanzen und zum Schluss scheiterte Neuer mit seinem Versuch, die Hereingabe herunterzupflücken, statt ihn wegzufausten. Abseits der Treffer und der offenen Schlussphase waren die Franzosen nur jeweils in den ersten zehn Minuten der jeweiligen Halbzeiten aktiv.

In diesen Phasen pressten sie sehr hoch und zwangen die Deutschen in viele Eins-gegen-Eins-Duelle. Ansonsten war Deutschland die spielbestimmende Mannschaft, kam aber gegen das französische 4-2-3-1, das defensiv zu einem sowohl vertikal als auch horizontal kompakten 4-4-2 mutierte, zu selten durch. Zudem fiel dummerweise mit Boateng auch der zweite spieleröffnende Innenverteidiger aus. Zwischen dem 0:1 und dem 0:2 kamen Jogis Jungs zu keinem einzigen Schuss aufs Tor. Frankreich stand auch ohne Kante in der Startformation sehr sicher und veränderte gegen die ballbesitzenden Deutschen schlauerweise die Spielweise im Vergleich zum Islandspiel.

MVP: Antoine Griezmann
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Sonntag, 10. Juli 2016, 21:04

"Vorschau": Endspiel

Ja, die Portugiesen haben nur ein einziges Spiel in diesem Turnier in der regulären Spielzeit gewonnen. Dennoch stehen sie verdient im Finale. Gegen Island und Österreich hätten sie jeweils drei oder mehr Treffer erzielen können und scheiterten nur an ihrer eigenen Chancenverwertung. Im letzten Gruppenspiel gegen Ungarn schafften sie drei Tore und spielten nur Unentschieden, weil sie sich drei (abgefälschte) Gegentreffer nach Standards einfingen. In den Spielen gegen Kroatien, das nach der Vorrunde als Mitfavorit gehandelt worden war, und Polen waren sie zumindest nicht schlechter und gegen Wales setzte sich in den entscheidenden Momenten die individuelle Klasse von Ronaldo durch. Er hätte zwar nicht mit seinen Leistungen bei diesem Turnier, aber quasi für sein „Lebenswerk“ einen Titel mit seiner Nationalmannschaft verdient.

Frankreich steht bei einem Turnier im eigenen Land mal wieder im Finale. Dabei war die Gruppenphase alles andere als begeisternd. Gegen Rumänien und Albanien gab es jeweils Last-Minute-Siege und gegen die Schweiz wurde ein torloses Remis verwaltet. In der K.-o.-Phase steigerten sich Les Bleus dann aber von Spiel zu Spiel. Zunächst wurde gegen Irland ein früher Rückstand in beeindruckender Manier gedreht, danach wurden die Isländer entzaubert und gegen Deutschland bewies man Defensivqualitäten und erarbeitete sich ein 2:0. Ein Titel im eigenen Land wäre natürlich die Krönung dieser Entwicklung.

Portugal wird wohl wieder sehr defensiv und abwartend auftreten, sodass Frankreich anders als gegen Deutschland das Spiel machen muss. Vorne werden sich die Portugiesen dann auf ihren Superstar Ronaldo verlassen. Frankreich hat sich gegen defensive Mannschaften wie Rumänien und Albanien schwergetan. Es könnte also ein sehr zähes Spiel werden und das Team, das den ersten Treffer erzielt, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch den Titel holen.

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